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Museum-Lichtspiele München

Unsere Geschichte

Tonbildtheater, Revolverkino und Rocky Horror-Spiele

Das älteste Kino Münchens: Die Museum Lichtspiele

Drei Jahre nach den Gabriel-Lichtspielen, am 24. November 1910, eröffnete Carl Gabriel sein zweites Münchner Kino, diesmal in der Au. Er nannte es Gabriels Tonbildtheater. Es wurde in ein ehemaliges Varietétheater in einem Wohnhaus unweit des Deutschen Museums eingebaut, weswegen das Kino seit 1918 auch Museum-Lichtspiele heißt. Bis zu seiner Schließung im April 1945 hatte es zwischen 220 und 280 Plätze, wechselte mehrfach den Betreiber und spielte das übliche Vorstadtkinoprogramm. Daran änderte sich auch nach dem Zweiten Weltkrieg nicht viel.

Im Juli 1946 eröffneten die Museum-Lichtspiele wieder, in der ersten Kinoanzeige wurde Alfred Hitchcocks "Im Schatten des Zweifels" angekündigt. Die Museum-Lichtspiele waren eines jener typischen Nachspielkinos in den Randbezirken, die sich in den Jahren der Kinokrise - wenn sie nicht aufgaben und sich in einen Supermarkt verwandelten - mehr schlecht als recht durchschlugen.

1975 ging das dann auch nicht mehr. Mit einem Italo-Western wurde das "Revolverkino" geschlossen, mit neuem Konzept unter einem neuen Betreiber, dem Schauspieler Hartmut Hinrichs, im Dezember als Spezialkino für Musicalfilme wieder aufgemacht. Leider konnten sich die Müncher für Hinrichs Faible nicht richtig begeistern, und zu "May Fair Lady" oder "Funny Lady" kamen manchmal nur zwei, drei Leute über die Isarbrücke, wo sie von den Kinomachern sehnsüchtig erwartet wurden. Für die paar Fans reichte auch ein kleiner Saal, mag sich hinrichs vielleicht gedacht haben, jedenfalls baute er 1976 den Vorführraum zu einem zweiten kino um - im Saal 1 liefen weiter Musik- und Tanzfilme, der neue Saal 2 wurde bis April 1977 an Beate Uhse untervermietet.

Dann kam die „Rocky Horror Picture Show“. Die Verfilmung des Rockmusicals entwickelte sich zum Überraschungshit und beförderte die Museum-Lichtspiele in eine neue Ära. Wie einst im „Arri“ bei den Nachtvorstellungen mit Eddie Constantine übernahmen die Zuschauer die Regie und feierten im Zuschauerraum die transsexuell-transsylvanische Party mit – in stilgerechtem Outfit und ab 1980 in einem rockymäßig dekoriertem Saal. Der Film lief und lief – so oft, dass das Ereignis Einzug ins „Guinnessbuch der Rekorde“ hielt und die Museum-Lichtspiele in aller Welt bekanntmachte. Er ist zu einem Markenzeichen des Kinos geworden und inzwischen mit ihm gewissermaßen verwachsen. „Ich hatte mal ein bisschen Ärger mit dem Verleih wegen der „Rocky Horror Picture Show“, weil die Rechte eigentlich ausgelaufen sind“, erinnerte sich Ferdinand Hlebayna, der die Museum-Lichtspiele nach dem Tode von Hartmut Hinrichs 1988 übernommen hatte, „Da habe ich aber gesagt: Dann müsst ihr mich hier mit der Kopie raustragen. Die geben wir einfach nicht mehr her.“


Das kleine Kino wuchs weiter - im September 1980 wurde ein ehemaliger Lagerraum zu Kino 3, im April 1995 baute man den 4. Saal dazu – und erfand sich dabei stets ein bisschen neu, immer im Zusammenhang mit Film-Entdeckungen und Trends. Nur Saal 1, der „größte“ der Museum-Lichtspiele, ist ein „normal“ eingerichtetes Kino, die anderen bieten filmbezogene Atmosphäre. Am Eingang von Saal 2, dem Rocky-Horror-Kino, warnt ein Schild „Enter at your own risk“, in Saal 4 prangt das Raumschiff Enterprise an der Saalwand, weil Ferdinand Hlebayna die Star-Trek-Abenteuer gerne mochte. Auch zur Gestaltung des Kino 3 gibt es eine besondere Geschichte: Der „Grand Bleu“-Saal verdankt sein Aussehen der Hartnäckigkeit von Filmfans, die Hlebayna immer wieder drängten, doch die lange Version von Luc Bessons „Le Grand Bleu“ zu zeigen. In der deutschen war „Im Rausch der Tiefe“ zunächst ziemlich gefloppt, bis er in der Originalfassung in den Museum-Lichtspielen ankam, dort drei Jahre lang lief und sich damit seinen eigenen Saal verdiente.


Neben der Ausstattung war vor allem das außerordentlich vielfältige Programm – seit den späten siebziger Jahren vor allem mit Filmen in Originalfassung, seit 1980 mit täglichen Kinder- und Jugendfilm-Nachmittagen – ein Garant für den Erfolg der Museum-Lichtspiele. Seit 2004 gibt es einen neuen Betreiber, Mathias H. Wild, den Museum-Lichtspielen ihren Charakter gelassen hat, weil er weiß, dass das Filmtheater in dieser Form etwas ganz Besonderes ist. Nicht umsonst findet das kuriose Kino besonders viel Anklang bei Kindern (und Kind gebliebenen), und das nicht nur wegen des reichhaltigen und ausgewählten Süßwarensortiments. Denn wo könnte eine Kino-Initiation schöner sein als in farbenfrohen Labyrinth dieser „Villa Kunterbunt“ des Films?

Quelle: Neue Paradiese für Kinosüchtige – Münchner Kinogeschichte 1945 - 2007, Monika Lerch-Stumpf (Hg.) – Hochschule für Film und Fernsehen – HHF München im Dölling und Galitz Verlag – Seiten 276/277

 

MUSEUM LICHTSPIELE
Lilienstraße 2 – Gebäude: Wohnhaus von 1896


• Plätze:

1 Saal: 280 (ca. 1928 - 11/1975) ? 96 (12/1976 – 7/1976)
2 Säle: 149 (9/1976 – 8/1980): 96 + 53
3 Säle: 213 (9/1980 – 4/1995): 91 + 72 + 50
4 Säle: 276 (seit 4/1995): 93 + 68 + 61 + 53

• Name: Museum-Lichtspiele (seit 1918), Neue Museum-Lichtspiele (in Zeitungsanzeigen nur vom 24.12.1975 bis 06.01.1976)


• Namenserklärung: Name nach der Lage gegenüber dem Deutschen Museum


• Architekt: Frank Ziegler (Umbau 1975)


• Geschichte:


• 1946 Wiedereröffnung 12.07.1946 (nach der ersten Zeitungsanzeige): „Im Schatten des Zweifels“ (Shadow of a Doubt, USA 1943, Regie: Alfred Hitchcock, mit Joseph Cotton, Teresa Wright)
• 1975 Umbau 11-12/1975 (Teilung des Kinos, ein Teil bis 1980 Lagerraum) ? Widereröffnung (neuer Betreiber, Programmwechsel: Spezialkino für Musicalfilme) 19.12.1975: „Oliver“ (GB 1967, Regie Carol Reed, mit Ron Moody, Oliver Reed)
• 1976/77 Umbau 7-8/1976 (Projektionsraum wird 2. Kino); Eröffnung 2. Kino 3.9.1976 (Beate Uhse Pornofilme) bzw. 13.4.1977 (erster „Normal“film): „Carmen Jones“ (USA 1955, mit Dorothy Dandridge, Harry Belafonte)
• 1980 Zubau 3. Kino (Einbau in den seit 1975 bestehenden Lagerraum); Eröffung 18./19.9.1980 (18. Gäste, 19. Allgemeines Publikum): „The Rocky Horror Picture Show“ (USA 1974, Regie Jim Sharman, mit Tim Curry, Susan Surandon)
• 1995 Zubau 4. Kino; Eröffnung 24.4.1995: „Prêt-à-porter“ (USA 1994, regie Robert Altman, mit Sophia Loren, Marcello Mastroianni)

 

Quelle: Neue Paradiese für Kinosüchtige – Münchner Kinogeschichte 1945 - 2007, Monika Lerch-Stumpf (Hg.) – Hochschule für Film und Fernsehen – HHF München im Dölling und Galitz Verlag – Seite 341